Worauf kommt es an, wenn man Zusteller*in werden will und welche Vorteile hat der Job eigentlich? Im Interview beantwortet Folko Thomas, der bei der Zustellgesellschaft als Recruiter arbeitet, alle wichtigen Fragen.
Was bietet der Job oder anders gesagt, welche Vorteile hat der Job als Zusteller gegenüber anderen?
Der Job als Zusteller*in bietet viele Freiheiten. Unsere Zusteller*innen können ihre Routen so laufen, wie sie wollen – solange sie zu der vorgegebenen Zeit fertig sind. Da ist es kein Problem, dass sie zwischendurch mal in Ruhe den Sonnenaufgang anschauen, eine Zigarettenpause einlegen oder einen Plausch mit einem Kunden halten. Es gibt dabei keinen Chef, der den Zusteller*innen bei zuverlässiger Verteilung permanent auf die Finger schaut. Diese Tätigkeit wird ähnlich wertgeschätzt wie die eines traditionellen Postboten. Man bringt den Menschen Lesestoff und Neuigkeiten. Man ist auf sich allein gestellt und nur für seine Arbeit verantwortlich, was vielen Bewerber*innen sehr entgegenkommt.
Freiheitsliebende Menschen kommen dabei also voll auf ihre Kosten. Gibt es weitere Vorteile?
Bei uns ist beispielsweise eine Work-Life-Balance gegeben. Wenn eine Hausfrau oder ein Hausmann nachts die Zeitung austrägt, ist sie oder er bis die Kinder aufwachen wieder zu Hause und kann diese in Ruhe zur Schule bringen oder mittags das Essen kochen. Den Tag kann man sich nach der Nachtarbeit frei gestalten. Das Gleiche gilt für die Briefzustellung am Tage, bei der man im Sinne der Familie ebenfalls seine Pausen frei gestalten kann. Und zu guter Letzt:
Ihnen ist wichtig, an welchem Ort Sie arbeiten? Dann hören Sie mal hin, wie der Arbeitsort des Zustellers aussieht:
Zusteller*innen arbeiten, wenn möglich, ganz in der Nähe ihres Wohnortes. Eine lange Pendelei fällt da weg. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern in Landgebieten auch großes Thema, weil durch stundenlange Anfahrten Lebenszeit und -energie verschwendet werden.
Das hört sich gut an. Aber wahrscheinlich möchten nicht alle Ihre Mitarbeiter*innen für immer Zusteller*innen bleiben.
Es kam schon häufig vor, dass unsere Angestellten von „normalen” Zusteller*innen beispielsweise zu Depotverantwortlichen befördert wurden. Gerade, wenn die Zusteller*innen gewisse Erfahrungen mitbringen, geben wir ihnen bei Bedarf die
Möglichkeit, eine andere Funktion zu übernehmen. Aber auch alle anderen haben die Chance aufzusteigen, wenn sie sich gut anstellen. Da sind die Barrieren bei uns sehr niedrig.
Neben den niedrigen Barrieren: Welche Benefits gibt es beim Zustellerjob?
Wir gehen den digitalen Wandel mit: In Zukunft soll es ein Zusteller-Informationsportal geben, in dem die Zusteller*innen online von der tagesaktuellen Laufreihenfolge bis hin zu Reklamationen oder Urlauben von Kunden alles einsehen können. Dort werden sie auch in eigener Sache ständigen Kontakt zu ihren Ansprechpartner*innen, beispielsweise den Personaldisponenten, im Hause finden.
Auf diese Sachen können sich potenzielle Zusteller ebenfalls freuen:
Außerdem werden die Zusteller*innen mit allem ausgestattet, was sie für den Job brauchen. Dazu gehören Basics wie normale Arbeits- und Regenkleidung, Kopflampen, Handschuhe und Mützen. Je nachdem, welches Gebiet die Zusteller*innen zugeteilt bekommen, gibt es zudem Dienstfahrräder, zunehmend mit Elektroantrieb, oder gegebenenfalls sogar einen Dienstwagen.
Über den Zustellerjob gibt es allgemein viele Vorurteile. Was wissen viele in diesem Zusammenhang allerdings nicht über den Job?
Bei uns arbeitet der gesellschaftliche Durchschnitt. Aussagen wie „Wer gar nichts mehr bekommt auf dem Arbeitsmarkt, wird Zusteller“ oder „Das ist der Job für Unterqualifizierte“ stimmen in diesem Zusammenhang also schlichtweg nicht. Viele unserer Mitarbeiter*innen waren vorher beispielsweise Facharbeiter*innen, die durch ihren eigentlichen Job auch schon an das frühe Aufstehen gewöhnt waren.
Ein weiteres Vorurteil ist, dass es nur „alte Leute” sind, die als Zusteller*in arbeiten.
Es stimmt, dass in der Vergangenheit viele Ältere durch die Arbeit ihre Rente aufgebessert haben. Aber wir sind gerade mitten in einem Generationenwechsel. Da kommen immer mehr junge Leute dazu. Das hängt auch mit der immer größer werdenden Digitalisierung zusammen, die auch in unserer Branche Einzug hält. Bei jungen Leuten kommt das gut an. Doch ganz ehrlich: Es ist egal, wie alt jemand ist, der oder die als Zusteller*in arbeiten möchte. Das Wichtigste ist, dass es er oder sie vertrauenswürdig ist. Wir haben beispielsweise für das Austragen der Briefe Auflagen von der Bundesnetzagentur. Die Briefe können wir da nicht einfach irgendjemandem in die Hand drücken, der nicht mit seinem Vorgesetzten kommunizieren kann, warum beispielsweise ein Brief nicht zugestellt werden konnte.
Inwiefern ist der Job vielleicht auch mal hart?
Man muss ehrlich sein: Die Arbeit ist kein Zuckerschlecken und traditionell, aus einer „Minijob-Tradition” heraus, auch nicht mit sehr hohen Entgelten verbunden. Zusteller*innen müssen bei Wind und Wetter draußen arbeiten – aber das sehen auch viele als Vorteil an. Ähnlich ist es bei den Arbeitszeiten. Leute, die partout nicht früh aufstehen können oder wollen, verlieren wir natürlich direkt.
Auch wenn das frühe Aufstehen nichts für Sie ist, sollten Sie diesen Vorteil nicht vergessen:
Doch sehen wir es so: Wenn Sie mit der Arbeit fertig sind, ist der Tag noch frisch und Sie können machen, worauf sie Lust haben. An das frühe Aufstehen kann man sich gut gewöhnen.
Wir wissen nun, worauf sich neue Mitarbeiter*innen einstellen müssen. Fassen Sie doch bitte zusammen, nach welchen Menschen Sie grundsätzlich für den Job suchen.
Machen wir es mal stichpunktartig. Wir suchen Menschen, die
- sich gerne im Freien aufhalten
- gerne in Bewegung sind
- einer wertschätzenden Tätigkeit nachgehen wollen
- keine ständiger Überwachung am Arbeitsplatz wollen
- früh aufstehen können
- einen gewissen Ordnungssinn haben
- nicht weit zur ihrem Arbeitsplatz pendeln wollen
- heimatverbunden sind
Es müssen jetzt nicht alle Punkte auf jeden oder jede Zusteller*in zutreffen, aber wenn man sich nur mit ein paar Aussagen identifizieren kann, lohnt sich eine Bewerbung in jedem Fall.
Wie läuft dann der Bewerberprozess nach einer Bewerbung ab?
Für die Bewerbung reicht es, ein kurzes Formular mit seinen persönlichen Angaben auszufüllen. Lebenslauf und Anschreiben sind nicht nötig. In den meisten Fällen bekommen die Leute anschließend per Mail oder Telefon Antwort mit Terminvorschlägen für ein Telefongespräch mit einem unserer Personaldisponenten. In diesem können erste Fragen geklärt werden. Ein persönliches Gespräch findet dann statt, wenn für beide Seiten nach dem Telefonat feststeht, dass es mit der Anstellung etwas werden könnte. Bei dem Treffen werden den potenziellen Zusteller*innen die Einzelheiten bezüglich des Jobs und einer Anstellung erklärt. Danach geht es zum Probearbeiten mit langjährigen Zusteller*innen, die zeigen, wie das Ganze abläuft. Abschließend wird gemeinsam besprochen, wo er oder sie eingesetzt werden könnte. Die neuen Zusteller*innen werden bei uns auf jeden Fall an die Hand genommen.
Kommen wir mal zu Ihnen persönlich. Sie arbeiten bereits seit 33 Jahren bei der Zustellgesellschaft. Warum sind Sie immer noch dabei?
Bei mir geht es ganz klar um die Faszination Zeitung. An dem Entstehungsprozess sind so viele unterschiedliche Menschen beteiligt und jeden Tag geht es wieder von vorne los. Es gibt zahlreiche technische Berufe wie Drucker oder Programmierer, dann kreative wie Grafiker oder Redakteure, aber auch strukturiert arbeitende Verwaltungsangestellte oder die Leute aus dem Versand oder der Logistik. Rund um die Uhr ist jemand im Einsatz, damit das Produkt beim Kunden landet. Und ein wichtiges Zahnrad in diesem System sind ganz klar die Zusteller*innen.